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Die letzten sechzehn von Abrogina


 

Der Himmel brannte. Der Stein glühte. Von allen Richtungen des Windes trug er Rauch und Gestank der verbrannten Leiber heran. Nur schwer konnte ich die Leiber meiner Brüder und Schwestern von denen der Dörfler und Bauern auseinander halten. Das schwelende Feuer trug mir Tränen in die Augen. Selbst die glänzendste Rüstung war matt vom Russ. Die strahlenden Farben der Wappenröcke verglimmten in der unbarmherzigen Hitze.

Einzeln und geballt lagen die Leichen quer und hoch über Hof und Stein. Die Holzgebäude waren nicht mehr, noch die stolzen Zinnen der Festung. Uneinnehmbar von Wehranlage, Planung und Tüchtigkeit der Brüder und Schwestern, so haben wir sie früher genannt. Doch nun war alles Asche und Staub.

 

Mein Blick wandte sich an die Brüder neben mir. Sechzehn blieben noch. Ein beschaulicher Rest angesichts der vormals mehr als 4000 Bewohner der Feste. In ihren Gesichtern machte ich dieselbe Trauer und Furcht aus, die mich bedrückte. Wir waren Novizen, nicht fertig ausgebildet und nur mit Glück und dem Schicksal unter den Alten Drachen konnten wir der Verderbnis bisher entgehen. Ich spürte das Zittern in unserer Gruppe. Das Wanken ob des ungeheuren Ausmaßes an Zerstörung und Grauen, dass dieser Fleck unter dem Blick der Götter bot. Wir wussten nicht weiter. Wie sollten wir bestehen? Die Bestien hatten sich zurückgezogen und harrten siegesgewiss der Dinge, die sie bringen würden. So taten sie es seit Anfang an.

 

Zwei Monde ist es nun her, dass der Angriff begann. Die hohen Brüder und Schwestern waren sich sicher, dass die Mauern halten würden, dass die Götter uns begünstigen würden, dass unser Zusammenhalt und die Kraft des Glaubens den Feind Einhalt gebieten würde. Doch hatten sie nicht die Zermürbung bedacht, das Ausbleiben von Versorgung und die Sieche der stetig wachsenden Zahl an Verwundeten. Die Seuche war schlimm und unnatürlich. Sie raffte vor allem die Krieger dahin, die trotz Schwäche sich dem Feind jedes mal entgegenstellten. So hatten die Bestien einfaches Spiel mit unserer eigentlichen Kampfkraft.

Die Priesterbrüder gaben ihr Bestes und beteten unentwegt zu den Alten Drachen, um durch die Kraft ihrer Wunder die Schmerzen zu lindern. Doch konnten sie dem Fortschreiten nicht Einhalt gebieten. Bald waren sie selbst betroffen und der Schmerz raubte ihnen die Sinne. Die Moral unter den Übriggebliebenen schwand dahin wie eine Kerze im zugigen Strom des Windes.

Dann waren da die Angriffe. Brutal und wie ein Schmettern einer schwarzen Faust trafen sie uns wieder und wieder. Gnadenlos, aber stets mit einem Rückzug verbunden, um die Verletzten ihre Wirkung des Schreckens verbreiten zu lassen und die Sieche immer wieder von Neuem ausbrechen zu lassen.

 

So zog es sich über Wochen dahin, bis unser Festungsvorsteher Mar’kleas fiel und ein tiefes Loch hinter sich ließ. Er fiel einfach in sich zusammen, entkräftet von zahlreichen Wunden, die er sich nicht versorgen ließ, weil er der Meinung war, die lebensbedrohlich Verletzten zuerst versorgen zu lassen. Er gab seine ganze Kraft und Energie, uns immer wieder die Angst zu nehmen, den Glauben in uns hell brennen zu lassen und mit neuer Kraft wieder und wieder auf den Wehranlagen zu stehen. Er gab uns soviel Kraft.

 

Dann war diese Kraft entschwunden. Die Götter schienen uns verlassen zu haben. Wo war ihre Barmherzigkeit, wenn dieses Schlachten unter ihrem Blick Toleranz fand?

 

Nun blickten wir nicht mehr der Vergangenheit ins Auge sondern mussten uns der Gegenwart entgegenstellen, die grausam und blutig die Zeit an uns vorüberzog. Ich fühlte mich in einem Strom aus dem Nebel der Angst und Schmerzen gefangen. Wie konnten unsere Herzen all das ertragen? Wer half uns in unserer Not?

 

Wir standen zusammen. Sechzehn an der Zahl. Hunger, Müdigkeit, Zweifel oder Sorge bedeuteten uns nichts, denn wir kämpften um unser überleben. Jede Sekunde wurden wir durch die vielen Leichen um uns an den Tod erinnert. Da waren keine Gebete oder weise Leitsätze, die uns nun helfen konnte, um zu wissen, wie weiter. Da gab es keinen Schrein mehr, der vom Blut nicht so besudelt war, als dass man seine innere Stärke des Glaubens wieder finden konnte. Es gab kein Lachen, kein wärmendes Feuer der Brüderlichkeit, dass uns zusammenhalten ließ. Es war nackte Angst und das Wissen, dass man allein noch weniger Chancen hatte, zu überleben. Aber alleinig der Gedanke ans Überleben zuckte wie ein Witz von der rechten zur linken Wange. Zweifel niemals. Verzweifelung verspürten wir.

 

Und dann, als wir noch in Gedanken versunken begannen, das Geschehene in unseren Köpfen zu ordnen, kam der Angriff. Die Erde bebte unter dem Ansturm der Bestien. Die losen Steine der Zinnen, die schwelenden Bretter der Unterkünfte, selbst die Leichen vibrierten ob der vielen Füße, die den Weg auf sich nahmen, uns zu ermorden. Das infernalische Brüllen klang wie aus einer Kehle und ließ uns immer weiter in uns zusammensinken. Der metallische Klang der gewetzten Klauen und Messer stellte uns die Nackenhaare auf. Und dann war dieses unbeschreibliche Drücken, diese Präsenz der Bosheit, die uns fast wahnsinnig machte im Inneren. Jetzt sterben wir.

 

In diesem ganzen Getose schaute ich wortlos auf zum Himmel. Selbst die Wolken waren schwarz vom ganzen Verbrannten und verwährten mir den letzten Blick zum wärmenden Auge der Alten Drachen. Mein Blick trübte sich unter dem Tränen gefüllten Aug. Ich hatte Angst zu sterben. Und meine Brüder auch.

 

Das stetig wachsende Tosen steigerte sich zu einem Gewitter, als die Truppen nur noch wenige Schritt vor den Ruinen der einstmals stolzen Festung liefen. Mein Herz raste.

Und da sah ich es. Keine Hoffnung oder Lichtgestalt. Nein. Immer noch das Gesicht erhoben zum Firmament sah ich etwas Grünes den Himmel langsam hinuntergleiten, schwebend unter den Launen des Windes. Ein kleines, grünes Blatt hatte irgendwie seinen Weg in diese verbrannte Einöde aus rußschwarz und blutrot gefunden und fiel mir auf die Schulter. Fast hätte ich gelacht, wegen der Absurdität des Ereignisses. Da kamen meine Brüder auf mich zu und sahen das Blatt auf meiner zermarterten Schulter verweilen. Bruder Toran nahm es behutsam, fast ehrfürchtig in seine verwundete Hand. Er war ein Novize, der den Weg des Priesters unter Kym'nark-mars Blick beschreiten wollte. Ein guter Freund, mit dem ich meine Sorgen geteilt habe. Sein blondes Haar war unter den Verbrennungen kaum noch zu erkennen, doch als ich sein Gesicht betrachtete, nahm ich keine Angst in seinem Blick war, denn er lächelte. Er führte das Blatt an seine Lippen und zeigte uns ohne ein Wort den einzelnen Samen, der am Stiel des Blattes heftete. Dann beugte er sich hinab und verscharrte es in der noch immer bebenden Erde. Anschließend wandte er sich zu uns und sprach: „Was auch immer gleich passiert, meine geliebten Brüder, das Böse wird hier nicht alles Leben vernichten. Nährt den Samen mit euren Tränen und dann, wenn ihr nicht mehr weinen könnt, dann lasst uns stolz sein, denn wir sechzehn haben an diesem Ort des Todes Leben mit unseren Sorgen geschaffen.“

 

So knieten wir alle nieder und weinten bitterlich, vor Verzweifelung, Angst und Sorge. Und dann standen wir schauten uns allen ein letztes Mal in die Gesichter. Der Feind brach unterdessen über die geschliffenen Mauern und die Anwesenheit des Todes wurde nun deutlich. Doch wir hielten unseren Blick stand, bis wir entschlossen zugleich sprachen: „Von Bruder zu Bruder, der Eure bis in den Tod.“

 

Dann ging alles sehr schnell, dass ich es nur nacheinander erzählen kann. Die Furcht war dahin, die Sorge belastete die Schultern und Herzen nicht mehr, und in uns breitete sich eine wohlige Wärme aus. Das Wissen, etwas Richtiges getan zu haben.

 

Bruder Ktan’res, Haris, Lurion und Besedos, Novizen auf dem Weg des Kriegers unter dem Blick Zandragals, boten all ihre verborgenen und übriggebliebenen Kräfte auf und rissen ihre Waffen in die Höhe. „Zandragal!“ Für einen Moment schien es, als überbot dieser Ruf das Brüllen des Bestien.

Bruder Ilias, Freklon, Antikias und Goran, Novizen auf dem Weg des Paladin unter dem Blick Kormaths, folgten ihnen mit einem schmetternden „Kormath!“.

Pelos, Rubrik und Trang waren in der Zeit schon entschwunden und der Wind säuselte ein leises „Apepi“ an unsere Ohren heran, als die ersten Pfeile und Wurfdolche drei der heranstürmenden Bestien niederstreckten.

Facis, Toran, Mereth und Lakes, unsere Priesternovizen sprachen laut und deutlich unsere Gebete, um die kämpfenden Brüder in der Schlacht zu begleiten. Ihre Stimmen gingen ineinander über und steigerten sich zu einem lauten „Kym'nark-mar!“, worauf drei weitere Bestien vom Winde gepackt gegen die Steine geschmettert wurden und tot am Boden blieben.

Wir ließen den Tod nicht in unsere Reihen kommen. Wir griffen ihn an.

 

Wie meine Brüder kämpften und welchen Stolz ich dabei empfand, werde ich wohl niemals beschreiben können. Ktan’res, Haris, Lurion und Besedos schlugen sich zu viert, Schulter an Schulter, Waffe an Waffe eine Schneise in die Reihen der Dunkelheit, bis sie in dem Gewirr aus Klauen und geifernden Mäulern nicht mehr zu sehen waren. Doch ich schwöre bei Zandragal, dass sie mit einem Lächeln starben, einen guten Tribut eingefordert zu haben. Ilias, Freklon, Antikias und Goran taten es ihren Kriegerbrüdern gleich und als der Feind ob der Abgebrühtheit kurz zurückwich, sprangen die vier in die Mitte des Herdes um nach kurzem Kampf und vielen Toten sterbend auf die Knie zu sinken. Ich sah von hier, wie sie mit letztem Hauch sich gegenseitig auf die Stirn küssten, bis die Flut der Ungeheur mir die Sicht nahm.

Währenddessen pflügten die Geschosse von Pelos, Rubrik und Trang einen Feind nach dem anderen nieder. Eine nicht enden wollende Zahl an möglichen Wurfkörpern drang auf den Feind ein, bis die Stellung der Schützen umzingelt war. Ich währte meine Brüder nach dem Erstürmen der Stellung für erschlagen, da tauchten plötzlich hinter den Sturmtruppen jene drei auf und lachten laut, damit der Feind die Gelegenheit zum umdrehen hatte. Nach einem hitzigen Gefecht unterlagen meine Brüder, doch ihre toten Leiber konnte ich auch nach längerer Beobachtung nie ausmachen.

Ilias, Freklon, Antikias und Goran zwangen die Dunklen allein durch das Wort zu Boden, das laut und herrlich über den Platz hallte und von den Resten der Mauern wiedergegeben wurde. Es entsprang keinem Wunder, dass sie herbeigefleht hatten, sondern der Absicht, die Inbrunst des Glaubens ein letztes Mal auf diesem einst heiligen Ort zu zeigen. Sie beteten und der Feind hatte Angst. Ja er fürchtete sich vor dem Wort der Alten Drachen.

Sie holten grausame Pfeile und schossen meine Brüder aus der Entfernung nieder, so furchtsam waren sie. Mit einem letzten Griff zum heiligen Amulett sanken sie zusammen und sprachen das Acba lokum, bis der Feind auch sie überrannte.

 

 

Nur ich blieb zurück und nahm meine letzte Kraft, um das hier Geschehene niederzuschreiben. Ich hoffe, dass wir in Euren Gebeten verweilen, um der Ermordeten zu gedenken. Am Baum der Tränen, so hoffe ich wird es heißen, kämpften die letzten sechzehn von Abrogina, die Leben bewahrten, und dem Tod entgegentraten. Ich denke an das Blatt und nun lege ich meinen Federkiel nieder um meinen Brüdern zu folgen und mit ihnen zu sterben.


von Norik, Paladin des Drachenordens